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Geschichte und Geschichten von der Rachlalm bei Grassau

RachlalmGrassau – Nach einer Stunde Fußmarsch, direkt vom Großrachlhof in Großrachl 1 in der Chiemgau-Gemeinde Grassau, erreicht man die zum Hof gehörende Rachlalm im Hochplattengebiet. „Dort warten die Senner mit einer almüblichen Brotzeit auf Euch, während Ihr dem Jungvieh beim Grasen zuschauen und den Klang der Glocken genießen könnt“ – so heißt es eingangs der Internetseite www.grossrachlhof.de. Die Idylle auf der Alm findet man auch vor, doch bei einem Gespräch mit Almbauern und Almleuten gibt es einen Stimmungs-Ausreißer: den Wolf. Der Wolf war aber nicht das erste Thema, als wir uns mit den Almbauern Josef Sichler und seinem Sohn Jakob trafen, um mit ihnen und mit den Sennleuten über das Almleben zu sprechen. Auf der Ostseite der Rachlalm und im Mittagsschatten sitzend blicken wir hinaus auf das Chiemgauer Land, klar zu erkennen sind die Gemeinde Bergen, der Ort Bad Adelholzen sowie der Daxlberg bei Siegsdorf. „Der Platz für die Alm wurde nicht wegen diesem herrlichen Blick, sondern wegen der guten Lage für die Arbeit festgelegt“, so Josef Sichler, dessen Urgroßvater bei der Säkularisation im Jahr 1803 einen Teil der Alm zum Hof dazu gekauft hat.

Einer der ältesten Erbhöfe Bayerns
Der Großrachlhof in Grassau im Chiemgau ist nachweislich seit 1429 in Familienbesitz und somit einer der ältesten Erbhöfe in Bayern. Urkundlich erwähnt wurde er bereits 1144. Damals war er Teil einer Schenkung, die Erzbischof Konrad von Salzburg an das Chorherrenstift Herrenchiemsee machte. Angefangen hat alles mit den beiden Brüdern Heinrich & Ulrich dy Reichl. Über Rächl, daher der Name „Großrachl“, Zaissl und Aufinger wechselte der Familienname auf Sichler. Josef & Sabine Sichler erbauten 1984 einen neuen Hof in ökologischer Bauweise am Ortsrand von Grassau, den jetzigen „Großrachlhof“. Der alte Erbhof steht noch immer im Zentrum von Grassau und ist nach wie vor noch im Familienbesitz. 1810 wurde die Almhütte von den neuen Besitzern am jetzigen Standort gebaut, der Vater von Josef Sichler war als Mitbegründer und langjähriger Zweiter Vorsitzender beim Almwirtschaftlichen Verein Oberbayern über die örtlichen Aufgaben hinaus aktiv. Demzufolge hat es sich bis heute dreimal ergeben, dass die Hauptalmbegehung des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern zur Rachlalm geführt hat. „Erstmals Mitte der Sechziger Jahre, dann 1982 bei großem Sauwetter und vor fünf Jahren als auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer zu Gast war“, erinnert sich Josef Sichler, der überaus viele Alm-Geschichten von seinen Vorfahren und von seinen Tanten zu erzählen weiß. „Für meinen Vater war die Alm das Leben, es gab noch keine Straße, nur zu Fuß oder mit Rössern war der Weg zu bezwingen und er hatte ein striktes Motto: Keiner darf rauf oder runter leer gehen“. So mussten Kleinkinder und viele Sachen geschultert oder in Kraxen getragen werden, eine Höchstleistung war unter anderem das Tragen von einem Zentner Salz vom Hof weg zur Alm ohne absetzen. Später gab es dann einen Roßweg und mit Almkarren wurden die Transporte vorgenommen, auch dann immer mit der Maßgabe, dass immer etwas mitgenommen wird, unter anderem talwärts Tannenzapfen zum Einheizen für den Hof. 1951 wurde die Rachlalm mit viel Holz- und Handarbeit aufgestockt, die dafür notwendigen Bäume wurden nach dem Mond geschlagen. Harte Arbeit hatten Vater Georg Sichler, seine Brüder und Schwester Leni, die als Alm-Lena bekannt wurde. Besonders bekannt wurde sein Urgroßvater, Johann Georg Sichler, der mit seinen Pferden im Jahr 1900 bei der Weltausstellung in Paris war und darüber hinaus bei Richard Wagner gesungen hat und daher den Beinamen „Singbauer“ trug. Über seinen Urgroßvater weiß Josef Sichler zu berichten: „Er war Vollblutmusiker, der sogar die Heuernte zurückstellte, um der Musik zu dienen. Als das Musizieren durch die Hofübernahme nicht mehr möglich war, schrieb ihm Richard Wagner in einem Abschiedsbrief:  „Liebe Deine Kunst zu Ehren Deiner Heimat“. Zwölf Schwestern mussten damals vom Urgroßvater ausbezahlt werden, dies war nur möglich durch den Verkauf des Forstrechtes.

Tante Leni war 67 Jahre auf der Alm
Die schon genannte Tante Leni kam bereits mit elf Jahren auf die Rachlalm, bis 1988 war sie dort Sennerin, die letzten beiden Jahre mit ihrer Schwester Maria. In ihrer 67 Jahre währenden Sennerinnen-Zeit geschah allerhand auf der Alm, einmal musste sie nach einer Stier-Attacke ins Krankenhaus, dort gab es die Diagnose, dass ein Fuß abgenommen werden muss. „Da hat mein Vater gesagt, das geht nicht, den Fuß brauchen wir noch und der Fuß gesundete auch wieder“, so Josef Sichler zur Almzeit seiner Tante Leni. In dieser Zeit wurde die Alm mehrfach hergerichtet und verbessert, unter anderem mit dem Einbau einer Wasserturbine für den Antrieb von Melkmaschine und Zentrifug. Nach 1988 war noch Tante Maria auf der Alm, doch diese hat sich mehr gefürchtet als Tante Leni, deren Arbeitstag schon um 3.30 Uhr in der Früh mit dem Buttern begann, um die Nachtkühle auszunutzen. „Unsere Alm wird gerne auch die Sonnenaufgang-Alm genannt, vor der Alm und in der Früh sind früher mehr Hirschen zu sehen gewesen, als wir Kälber auf der Weide hatten“, so Josef Sichler, der noch weiß, dass damals noch ohne Stroh ausgemistet worden ist und dass Duschen nicht der Brauch war. Einmal in der Zeit zwischen den Weltkriegen  wurde Tante Leni aufgeschreckt, als ein Unbekannter nachts an die Tür pumperte. „Leni hatte wegen manchem Gesindel einen Karabiner mit Munition in der Alm und hat – nachdem der Rabiate nicht aufhörte zu pumpern - aus dem Fenster geschossen und auf diese Weise niemals erfahren, wer der alsdann geflohene Möchtegern-Eindringling war. Zur damaligen Zeit waren Rösser Männersache. „Die Kühe wurden damals wegen der Streu, die sie benötigten, als Mist-Vieher bezeichnet, das war kein Schimpfwort, aber wenn man bedenkt, dass eine Kuh 120 bis 150 Reichsmark und ein abgerichtetes Ross drei bis vier Tausend Reichsmark wert war, dann waren die Pferde die Haupteinnahmequelle“, erklärte Josef Sichler, der den Großrachlhof mit Rachlalm 1986 übernommen hat. Inzwischen hat der 60-Jährige diesen Hof an seinen 28jährigen Sohn Jakob übergeben. In der Zeit ab 1986 gab es unterschiedliche Alm-Betreuungen, unter anderem ein paar Jahre durch eine Tante, ein paar Jahre durch ein älteres Ehepaar, ein paar Jahre durch Studenten und ein paar Jahre fand sich Niemand, so dass die Alm von unten, also vom Hof aus betreut wurde. „Das war nicht immer gut, gerade wenn Besucher zum Beispiel das Wasser ablaufen oder die Weidegatter offen ließen“, so Josef Sichler.

Die heute von Jakob Sichler hauptverantwortlich geführte Rachlalm hat 20 Hektar Gesamtfläche, davon sind 16 Hektar Lichtweide und vier Hektar Wald. Die Alm-Bestoßung beginnt im Frühjahr mit 15 Kalbinnen, es folgen im Mai rund 40 kleine Kälber und „trockene“ Kühe, derzeit sind noch 35 Stück Vieh auf den Almweiden, die in sechs sogenannten Koppeln aufgeteilt sind. Diese Aufteilung macht es möglich, dass die Tiere immer wieder zu frischem Gras kommen und dass der Graswuchs insgesamt besser ist. „Dem Klimawandel zufolge beginnt die Almzeit rund vier Wochen eher und sie dauert auch ein paar Wochen länger“, erklärt Jakob Sichler. Vor rund sechs Jahren erbaute er mit seinem Vater einen neuen Stall für Jungtiere auf der Alm, mit dem sich die Situation der Bewirtschaftung der Almflächen weiter verbesserte. Im Tal-Hof hält Jakob Sichler seine 45 Milchkühe und bietet mit seiner Familie zudem zehn Ferienwohnungen an, welche ein gutes zweites Erwerbs-Standbein sind und letztlich Land- und Almwirtschaft absichern. 

Die Sennerinnen der Neuzeit
Besonders stark geprägt wurde die Sennzeit auf der Rachlalm von Maria Maier, die sich zuvor als Kindergärtnerin und Erzieherin betätigte und während ihrer dann neunjährigen Almzeit sich im Winter als Ski-Lehrerin das Einkommen verdiente.  In diese Zeit kam ihr Vater Stefan Maier und dessen Frau Hilde an vielen Wochenenden auf die Rachlalm, um ihre Tochter zu unterstützen. Stefan Maier fand in dieser Zeit großen Gefallen am Alm-Dasein, so dass er sich mit der Hochzeit seiner Tochter entschloss, seine Firma in Grassau zu verkaufen und als Senner die Nachfolge für seine Tochter zu übernehmen. Unterstützung findet der 63-jährige Senner dabei von zwei feschen Sennerinnen, beide 22 Jahre alt. Evi, eine Großhandelskauffrau aus Vachendorf und Martina, eine pharma-technische Assistentin aus Murnau haben vor, nach der Almzeit in Traunstein bzw. in Holzkirchen die Winterschule zu besuchen. Auf die Frage, ob sie auch im nächsten Jahr wieder weitermachen antworten sie mit „Mal schauen, warum nicht!“. Die drei Sennleute teilen sich ihre Aufgaben und Arbeiten immer genau auf, dazu gehören das zweimal am Tag erforderliche Viehzählen, das In-Schuss-Halten der Alm mit Prüfung der Wasserversorgung und das Betreuen der Gäste mit almüblicher Bewirtschaftung. Zu dieser sagte Stefan Maier: „Früher waren es eine Handvoll Brotzeiten in der Woche, doch heute mit dem geänderten Freizeitverhalten ist es ein Vielfaches mehr, da wäre es schon angebracht, dass wir eine Konzession für eine größere Bewirtschaftung bekommen“, so die Erfahrungen der Sennleute, die noch zu berichten wussten, dass in den Achtziger Jahren ein Spaßvogel, als Leute um eine Brotzeit anfragten, scherzte indem er ihnen versprach, die Brotzeit mit seinem Jagdhorn bei der nahen Hefteralm zu bestellen.  Als dann die hungrigen Leute zur Hefteralm kamen, wussten die Sennleute dort davon nichts, so dass sich der Schalk des Jagdhornspielers schnell herumsprach.

Zum Schluss taucht der Wolf auf
Das Alm-Gespräch neigte sich schon dem Ende zu, da kam das Thema Wolf auf den Tisch und da merkte man, dass die Almbauern die almerische Ruhe verließ, zu ernst ist dieses Thema. „Der Wolf ist eine Frage der Zeit, sollen wir Mauern oder sichere Zäune bauen und scharfe Hunde halten? Was hilft schon eine Entschädigung, wenn bei einem gerissenen Tier zwanzig weitere Tiere auskommen? Der Wolf kommt, wenn er Hunger hat.“ Josef Sichler führt weiter aus: „Wenn der Wolf nicht bejagt werden kann, dann wird die Folge sein, dass wir die Weiden mit Bäumen aufpflanzen, unsere Enkelkinder haben dann 16 Hektar Wald mehr“, und Sohn Jakob fügt hinzu: „Der Wolf ist in der Tundra beheimatet, in Oberbayern und im Alpenraum hat er zwischen Almwirtschaft und Tourismus unserer Meinung keinen Platz.“ Auch zur aktuellen Gesetzgebung zeigen sich die Almbauern kritisch, denn Notrecht darf sich nicht zu einem Hochsicherheitstrakt verwandeln. Kein Wanderer könnte dann bedenkenlos durch die Almlandschaft spazieren und die Arbeit der Senn- und Bauersleute wäre extrem erschwert. Da fühlen wir uns alleingelassen mit unseren Tieren, die uns von ihrer Geburt an ans Herz gewachsen sind. Ein Wolf im Blutrausch kann immens viel zerstören, auch das Almleben insgesamt“, so Josef und Jakob Sichler, die aber dann doch wieder zur Gelassenheit eines Alm-Daseins zurückfinden. Gerne erzählen sich noch, dass bei ausreichender Wasser- und Weide-Situation die Alm bis Kirchweih offen hat. „Mittwochs ist in der Regel Musik, Stammtische mit Musikanten ergeben sich ganz sporadisch und unterschiedlich und die beiden ledigen Sennerinnen haben da schon eine gewisse Zugkraft“, weiß Senner Stefan Maier, der mit seiner Mannschaft vor kurzem alle Hände voll zu tun hatte als die Pfarrgemeinde Traunwalchen ihre heurige Bergmesse bei der Rachlalm hielt. „Das Almgebiet hat übrigens eine ganz besondere Akustik, weshalb sich schon einige Male die Grassauer Blechbläser mit Wolfgang Diem, dem Leiter der örtlichen Musikschule, zu jährlichen Konzerten im Rahmen des Chiemgauer Almfestivals vom Tourismusverband Chiemgau eingefunden haben und die Berge zum Klingen brachten. Bis Mitte oder Ende September, je nach Wetterlage, soll das Almvieh auf der Rachlalm bleiben, alsdann wird es heißen: „Er war heiß, aber auch schön der Rachlalm-Sommer“.

Die Rachlalm, 920 Meter über dem Meer
Die Rachlalm ist von zwei Orten aus erreichbar: Entweder man beginnt seine Wanderung am Parkplatz der Hochplattenbahn in Marquartstein, dem Hausberg der Grassauer und Marquartsteiner in Richtung Grassauer Almen über die Forststraße (Aufstiegsdauer: ca. 1 Stunde). Oder der Startpunkt liegt an der Tourist-Information Grassau über die Zeppelinhöhe in Richtung Grassauer Almen (Aufstiegsdauer: 1 bis 1 1/2 Stunden). Eine andere, gemütliche Möglichkeit: mit dem Hochplattenlift rauffahren und von dort in 15 Minuten bergab – auch dann ist man bei der Rachlalm und bei deren freundlichen Almleuten.

Text/Foto: Hötzelsperger – Eindrücke vom Besuch auf der Rachlalm

Weitere Informationen: www.rachlalm.de

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